Angeregt durch eine Ausstellung und Veranstaltungen im Museum und der Bibliothek der Stadt Siegburg las ich dieses Buch erneut, das seit 1989 in meinem Regal steht. Lange Zeit war es nicht mehr lieferbar, nun wurde es wieder neu aufgelegt. Die Erstveröffentlichung war 1938.
Das Thema: es wird ein Exilantenschicksal durch die Augen eines Kindes erzählt. Die 10jährige Kully reist mit Vater und Mutter durch verschiedene Städte und Länder, da ihr Vater als Schriftsteller in Deutschland unerwünscht ist. Das Erstaunliche: es ist keine larmoyante Geschichte über heimatlose Exilanten, sondern tatsächlich eine „vergnügliche“ Geschichte, in der vieles über die Heimatlosigkeit zwischen den Zeilen steht, das wir nur erahnen können. Alleine die Gedanken, die sich Kully zum Thema Visum, Pass und Grenze macht, sind erfrischend, aber auch so wahr:
„Vor allem muss ich lernen, was ein Visum ist. Wir haben einen deutschen Pass, den hat uns die Polizei in Frankfurt gegeben. Ein Pass ist ein kleines Heft mit Stempeln und der Beweis, dass man lebt. Wenn man den Pass verliert, ist man für die Welt gestorben. Man darf dann in kein Land mehr: Aus einem Land muss man raus, und in das andere darf man nicht rein… Über eine Grenze kommt man nicht, wenn man keinen Pass hat und kein Visum. Ich wollte immer mal eine Grenze richtig sehen, aber ich glaube, das kann man nicht…“
Thema ist aber auch die Liebe zu den Eltern und die Angst, sie könne beide verlieren. Darüber hinaus finden sich sprachliche Leckerbissen, wie eine kurze Unterhaltung über sog. unanständige und anständige Wörter wie ‚Spucke‘ / ‚Speichel‘.
Aus dem Klappentext meiner alten Ausgabe: „Witzig, humorvoll und mit zuweilen entwaffnender Naivität lässt Irmgard Keun das ‚Kind aller Länder‘ erzählen.“
Irmgard Keun selbst hat ein Emigrantenschicksal erlebt und sicherlich ist viel davon in diesen Roman eingeflossen.
Ich wünsche ihm viele Leserinnen und Leser!
Ullstein Taschenbuch Verlag 2024, ISBN: 978-3-548-06934-0, Preis: 11,99 €
In der Stadtbibliothek vorhanden
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